Öl wird immer teurer. Besteht die Möglichkeit, dass es auf $100 steigt?

Das Öl setzt seinen aktiven Anstieg auf den Diagrammen fort. So lagen zum Zeitpunkt von 14:27 Moskauer Zeit die Öl-Futures WTI an der New Yorker Warenterminbörse mit Lieferung im September bei $78,94 pro Barrel, stiegen aber bis 18:43 auf $79,72 (+1,24%). In der Zwischenzeit ist der Öl-Future Brent mit Lieferung im September um 0,84% auf $83,17 gestiegen.

Die Situation auf dem Markt ist so, dass das benchmark Öl Brent seit Ende Juni auf den Diagrammen stark ansteigt - von $71,6 pro Barrel auf $83. Gibt es aber eine Chance, dass das "schwarze Gold" über die begehrte Marke von $100 steigen wird? Das werden wir herausfinden.

Insgesamt wurde der Preisanstieg zu einem großen Teil durch die Juli-Prognosen der IEA und der OPEC verursacht, die zuversichtlich verkündeten, dass die weltweite Nachfrage nach Öl bis zum Ende dieses Jahres steigen wird. Dabei erscheint China als der Hauptverursacher des wachsenden Verbrauchs weltweit.

Außerdem gibt es die Meinung einiger Analysten, dass die Inflation in den USA endlich auf 3% sinken wird, also fast das begehrte Ziel der Federal Reserve von 2%. Wenn die Inflation dort sinkt, wird auch die Politik der Fed allmählich gelockert, was bedeutet, dass die Zinssätze endlich aufhören zu steigen, was zweifellos zu einem Anstieg des Konsums führen wird.

Zusätzlich zur Erwartung einer Abschwächung der Inflation wird auch eine weitere Schwächung des Dollars prognostiziert. Ein schwacher Dollar ermöglicht es bekanntermaßen Rohstoffaktiva, die in dieser Währung notiert sind, zu wachsen.

Und dennoch gibt es genügend negative Faktoren, die das Wachstum der Ölpreise behindern. Zum einen wird nicht nur eine hohe Nachfrage erwartet, sondern auch ein Angebotsschock, der bereits bis zum Ende dieses Jahres eintreten sollte. Einer der maßgeblichen Gründe für diese Erwartungen ist die zusätzliche Reduzierung der Ölförderung durch die wichtigen OPEC+-Ak-teure (Saudi-Arabien und Russland). In diesem Zusammenhang geht das US-Energieministerium davon aus, dass gegen Ende dieses Jahres etwa 200.000 Barrel pro Tag weniger auf den weltweiten Markt kommen werden.

Zweitens gab es in China (dem größten Ölverbraucher der Welt) letzte Woche keine sehr ermutigenden Statistiken. Es stellt sich heraus, dass das Quartalswachstum des BIP Chinas im zweiten Quartal auf 0,8% gesunken ist, obwohl es in den ersten Monaten dieses Jahres noch bei 2,2% lag.

Der Einzelhandelsumsatz in China stieg im Juni nur geringfügig um 3,1% im Vergleich zum Vorjahr an, was nur ein Viertel des Anstiegs im Mai (damals waren es 12,7%) und im April (damals lag das Wachstum bei 18,4%) ausmachte. Auch die Investitionen in das Kernkapital gingen im Juni auf 3,8% zurück, während sie im Mai noch bei 4% und im April bei 4,7% lagen. Diese Daten sind nicht nur enttäuschend, sondern zeigen deutlich, dass die chinesische Wirtschaft nicht nur keine Beschleunigung erfährt, sondern sich sogar stark verlangsamt. Das bedeutet, dass die Nachfrage nach Öl dort möglicherweise nicht sehr beeindruckend ist.

Zweitens werden die Zinssätze in den USA in naher Zukunft wahrscheinlich nicht sinken. Am 26. Juli findet eine wichtige Sitzung der Aufsichtsbehörde statt, auf der der Zinssatz (so sagen es die meisten Analysten zuversichtlich) von 5,25% auf 5,5% angehoben wird. Dieser neue Zinssatz (mit hoher Wahrscheinlichkeit!) wird zumindest bis Ende dieses Jahres in der größten Volkswirtschaft der Welt bestehen bleiben.

Nicht nur in den USA ist die Situation so eindeutig, auch andere führende Zentralbanken streben eine Erhöhung ihrer Zinssätze an. Die Rede ist von der EZB und der Bank of England. Das bedeutet nur eins: Die allgemeinen Kosten für Geld weltweit, die heute bereits sehr hoch sind, werden in den kommenden Monaten weiter steigen. Bei dieser wirtschaftlichen Lage in der EU und den USA könnten sie kurz vor einer Rezession stehen. Wenn dies eintreten sollte, wird die Nachfrage nach Energieressourcen in den entwickelten Ländern nicht weiter steigen können, sondern eher rapide sinken.

Außerdem hat die OPEC nicht vor, die Ölpreise zu erhöhen, da bei einem starken Anstieg der Rohstoffpreise die Nachfrage ebenfalls deutlich sinken würde. Das Hauptziel des Kartells ist es, nicht die Preise zu erhöhen, sondern das Risiko eines starken Preisverfalls zu minimieren. Daher wird das derzeitige Preisniveau (im Bereich von 72-88 US-Dollar pro Barrel), höchstwahrscheinlich vom Bündnis für eine längere Zeit aufrechterhalten werden.

Um den Ölpreis auf das Höchstniveau von 100 US-Dollar pro Barrel oder sogar höher zu steigern, müsste es zu einem drastischen und unvorhergesehenen Rückgang des Angebots kommen. Goldman Sachs hat berechnet, dass ein Anstieg auf 100 US-Dollar pro Barrel nur dann möglich ist, wenn 2 Millionen Barrel pro Tag plötzlich nicht mehr auf den Weltmarkt gelangen. Sie werden zustimmen, dass eine solche Entwicklung äußerst unwahrscheinlich ist, da sie für alle Marktteilnehmer äußerst unvorteilhaft wäre.

Auch auf einen starken Preisrückgang sollte man nicht hoffen. Zum Beispiel kann man einen Szenario, bei dem der Ölpreis mittelfristig auf 70 US-Dollar sinkt, praktisch als unrealistisch betrachten.